Dieser Artikel erschien am 18.08.2014 in der Wirtschaftswoche Green.
Autor: Michael D’heur
Die Revolte in der Elektronikindustrie
Die Umsetzung von Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft ist in den allermeisten Fällen Neuland für Unternehmen. Zwar haben viele Hersteller aufgrund gesetzlicher beziehungsweise regulatorischer Anforderungen ein Berichtswesen eingeführt, in dem über die Umsetzung von CSR-Maßnahmen informiert wird. Mit dem Kerngeschäft hat das jedoch meist nicht viel zu tun.
Erfolgreiche, auf Umsetzung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft basierende Geschäftsmodelle bedürfen der Fähigkeit, die eigene Wertschöpfungskette effizient zu organisieren. Wie erfolgreich ein Unternehmen das macht, hängt von seiner Wertschöpfungsstrategie ab.
Zum Hintergrund: Ausgangspunkt für die Wertschöpfungsstrategie eines Unternehmens ist die Unternehmensstrategie. Darin werden die Grundprinzipien, Zielsetzungen und Parameter festgelegt, mit denen ein Unternehmen erfolgreich sein will. Diese Grundprinzipien werden in konkrete Zielsetzungen, Arbeitspakete und Umsetzungspläne übersetzt.
Dafür stehen die Teilstrategien Produktstrategie („Wie soll mein Produkt aussehen, welchen Wert hat es für den Kunden, das Unternehmen, die Umwelt und welche Rohstoffe und Komponenten brauche ich dafür?“), die Operations-Strategie („Wo und mit welchen Partnern stelle ich es her?“) und die Kommunikationsstrategie („Wie kommuniziere ich über meine Produktions- und Wertschöpfungsweise?“). In der Regel deckt ein solches Strategiebündel einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren ab.
Nachhaltige Produktionsweise oft eine Pionierleistung
Die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft ist oft eine Innovation und nicht selten eine Pionierleistung. Drei Prinzipien machen die zugrundeliegende Wertschöpfungsstrategie aus und entscheiden über den Erfolg:
1. Die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit muss strategisch abgesichert sein; eine Managemententscheidung muss her.
2. Nachhaltigkeitskriterien sind im gesamten Produktlebenszyklus anzuwenden, das heißt von Entwicklung bis Reparatur oder Rücknahme.
3. Maßnahmen dürfen nicht am eigenen Werkstor aufhören, sondern müssen Kunden und, Lieferanten, also das eigene Wertschöpfungsnetzwerk möglichst weitgehend miteinbezogen werden.
An einem Beispiel will ich hier zeigen, wie ein nachhaltiges Geschäftsmodell strategisch aufgesetzt werden kann. Das Fairphone, ein unter fairen Bedingungen gefertigtes Smartphone, hat in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit geerntet (u.a. bei WiWo Green).
2010 von der gemeinnützigen Organisation Waag Society in Amsterdam zunächst als Kampagne mit dem Ziel ins Leben gerufen, am Beispiel eines Smartphone die Möglichkeit einer fairen Produktion von Elektronikprodukten zu evaluieren, ist rasch ein erfolgreiches „Social Business“ daraus geworden. Fairphone hat sich auf folgende Leitlinien verständigt:
Nachhaltige Designentscheidungen zu treffen, die Reparaturen ermöglichen und die Lebensdauer der Produkte verlängern, Transparente Wertschöpfungsketten aufzubauen. Außerdem will das Unternehmen Produkte und Wertschöpfungskette so gestalten, dass als Begleiteffekt der Fertigungsprozesse positive gesellschaftliche Wirkung entsteht. Partner mit ähnlichen Werten finden, die bei der Erreichung der Unternehmensziele mitwirken.
Die Ziele lassen sich auch in drei Strategien gliedern:
1. Produktstrategie: Abkehr von herrschenden Praktiken
Eine Branche, in der regelmäßige Technologieinnovationen eine so große Rolle spielen, wie in der Elektronikindustrie, hat ein Interesse, neue Produkte immer schneller an den Kunden zu bringen. Selbst wenn die vorhandenen Produkte noch voll funktionstüchtig sind. Nachhaltigkeit im Produkt zu verankern, bedeutet in diesem Umfeld eine bewusste Abkehr von etablierten Design- und Produktionsprinzipien.
Ein wichtiger Ansatz zum Systemwechsel in der Elektronikindustrie ist das Produktdesign. Denn hier wird nicht nur über das Aussehen eines Produktes entschieden. Am Beginn des Lebenszyklus werden durch die physische Gestaltung des Produktes, Auswahl von Lieferanten und von verwendeten Komponenten große Teile der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produkts festgelegt.
Nur ein Beispiel: So wird das Fairphone ohne Ladegerät geliefert – und wurde im Gegenzug so ausgelegt, dass es über eine gängige USB-Schnittstelle geladen werden kann. Um Reparaturen zu ermöglichen (und dadurch die Lebensdauer zu verlängern) kann der Besitzer den Akku wechseln und Austauschteile einbauen. Beides spart Material und stellt einen Bruch mit den vorherrschenden Praktiken der Smartphone-Produktion dar.
2. Operations-Strategie: Produktionsbedingungen verbessern
Nachhaltigkeit betrifft auch den Produktionsprozess und die durch diesen geschaffenen Arbeitsbedingungen.
Fairphone entschied bei der Auswahl der Zulieferteile nicht nur im Hinblick auf Funktionalität, sondern zugunsten nachhaltig erzeugter Komponenten, beziehungsweise für eine Verarbeitung von – soweit verfügbar – konfliktfreien Metallen. Zwar konnte bei der Wahl eines Produktionsstandortes aus Kostengründen nicht für Europa (und damit für Nähe zum Absatzmarkt) entschieden werden, zumal die Mehrzahl der Zulieferteile weiterhin aus Asien hätten beschafft werden müssen. Aber es wurde in China ein kleiner Hersteller gefunden, der kaum Wander- bzw. Zeitarbeiter beschäftigt und bereit war, gemeinsam mit Fairphone ein Programm zur sozialen Absicherung der Arbeiter aufzubauen.
So wurde ein Gegenentwurf zu den heute üblichen, oft beklagenswerten Produktionsbedingungen geschaffen.
3. Kommunikationsstrategie: Offene Kommunikation mit allen Partnern
Kommunikation ist im Supply Chain Management mehr als gute PR. Es geht um die Öffnung der eigenen Informationsströme für Kunden und Lieferanten. Aber auch NGOs, Ämter und Behörden sowie die weitere Anspruchsgruppen am Produktionsstandort. Damit lassen sich kundenfreundlichere Produkte verträglicher und zu besseren Kosten erzeugen und der Ausgleich von ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Interessen schaffen. Das Team von Fairphone tauscht sich deshalb regelmäßig mit Kunden aus, hilft anderen Herstellern, sich selbst ein Bild der Chancen von nachhaltigen Produkten zu machen, und berichtet offensiv über die erreichten Erfolge.
Konsumenten honorieren Nachhaltigkeit
Am Beispiel des Fairphone wird eines deutlich: Etablierte Wertschöpfungsketten und Produktionsverfahren können verändert werden, auch wenn systemimmanente Zwänge es dem einzelnen Hersteller erschweren, sich der Logik der Massenfertigung in komplexen Produktionsnetzwerken zu entziehen. Das gilt sogar für die Elektronikindustrie, die aufgrund komplexer Wertschöpfungsketten und extrem schnellen Innovationszyklen extrem schwer zu managen ist.
Die Erfahrungen des Fairphone bestätigen, was Studien schon seit geraumer Zeit andeuten: Die Möglichkeiten der Hersteller sinkt, sich über nur Technik und Preis zu differenzieren. Kaufentscheidungen werden häufiger zugunsten der Marke getroffen, die überzeugend belegt, auch im Produktionsprozess nachhaltig zu sein.
Fairphone erbringt den Beweis, dass nachhaltige Produktkonzepte möglich sind und die Konsumenten willens, diese zu honorieren. Weil diese öfter erwarten, dass Unternehmen Gutes tun, liegt in der strategischen Entscheidung zur Umsetzung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft für Unternehmen eine kommerzielle Perspektive. Beim Fairphone fanden sich 25.000 Erstkäufer für das Gerät. Nur 5.000 wurden benötigt. Dieser Erfolg motivierte die Macher zu einer zweiten Tranche, die ebenfalls fast verkauft ist. 2015 soll eine zweite technologisch und nachhaltig verbesserte Generation des Fairphone zur Auslieferung kommen.
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