So wird Nachhaltigkeit zum Wachstumstreiber

Dieser Artikel erschien am 24.11.2014 in der Wirtschaftswoche Green.

Autor: Michael D’heur

So wird Nachhaltigkeit zum Wachstumstreiber

Der Begriff Nachhaltigkeit ist populär. Gemessen an der Medienaufmerksamkeit wäre zu erwarten, dass die Umsetzung in den Unternehmen in vollem Gang ist. Umso mehr überrascht, dass Nachhaltigkeit dort selten im Kerngeschäft ankommt.

Ein Verständnis von Nachhaltigkeit, das sich auf die Erstellung von CSR-Berichten beschränkt, ist jedoch naiv. Es lässt die Bereiche außen vor, die in Unternehmen die höchste Aufmerksamkeit genießen. Das sind Umsatz, Gewinn und Cashflow als Messgrößen für den Erfolgs eines Unternehmens. Von diesen hängt ab, wie Produktionen gesteuert, Ressourcen verteilt und Investitionen getätigt werden – auch Investitionen in Nachhaltigkeit. Deshalb gehört Nachhaltigkeit ins Kerngeschäft.

Globalisierung verändert Geschäftsbeziehungen

„Kerngeschäft“, das sind die Bereiche unternehmerischer Wertschöpfung, auf deren Basis ein Unternehmen Umsatz und Gewinne erzielt. Es umfasst die Produkte und Dienstleistungen sowie die Wertschöpfungskette, mit deren Hilfe Ressourcen beschafft, Produkte gefertigt und dann zum Kunden gebracht werden. „Lieferkette“ ist eine heute noch oft gebräuchliche, doch leider irreführende Bezeichnung dafür.

Im Zuge der Globalisierung haben sich die Kunden- und Lieferantenbeziehungen tiefgreifend gewandelt. Globaler Wareneinkauf und weltweite Produktion sind kein Privileg der multinationalen Unternehmen mehr. Heute müssen schon mittelständische Unternehmen globale Wertschöpfungsnetzwerke managen. Dabei sind neben eigenen Mitarbeitern eine Vielzahl von externen Ingenieuren und Produktentwicklern, Vorlieferanten und Lieferanten, Logistikdienstleistern und Handelspartnern zu koordinieren. In diesen Systemen eine Gleichgewichtung von ökonomischem, ökologischem und gesellschaftlichem Wert herzustellen, ist nicht trivial. Viele, teils konträre Interessen müssen in Einklang gebracht werden.

Aktives Management ist dabei Pflicht, ebenso wie die Kontrolle der erreichten Fortschritte in Strategie, Produktentwicklung, Beschaffung, Produktion, Logistik und Distribution.

1. Strategie

Eine nachhaltige Wertschöpfungsstrategie entsteht selten am grünen Tisch

Profitmaximierung ohne Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte reicht heute als Grundlage einer langfristig erfolgsträchtigen Unternehmens- und Wertschöpfungsstrategie nicht mehr aus. Der Wunsch nach dauerhaftem Wachstum kann nur in Erfüllung gehen, wenn „dauerhaft“ mit „nachhaltig“ gleichgesetzt wird. Dies muss eine erfolgsorientierte Unternehmensleitung erkennen.

Nachhaltigkeit im Kerngeschäft zu verankern, steht für das unternehmerische Bekenntnis, das Kerngeschäft in allen Aspekten so zu gestalten, dass ökonomischer, ökologischer und sozialer Mehrwert gleichzeitig entsteht.

Dies stellt Unternehmen vor grundlegende, strategische Herausforderungen, die sehr rasch sehr komplex werden können. Neben der Abkehr vom reinen Profitstreben erfordert es die Innovation von Produkten, die für einen Kreislauf konzipiert sind, den verantwortlichen Umgang mit Ressourcen, die Berücksichtigung ökologischer Folgen, die Reduktion des CO2-Ausstoßes, die Herstellung von fairen Arbeitsbedingungen, die Förderung von Frauen, die Verhinderung von Korruption und Herstellung von Transparenz sowie gesellschaftliches Engagement. Alle diese Anliegen sind zudem verständlich zu kommunizieren.

Wenn so viele Funktionen und Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen, wirft das Fragen im Unternehmen auf, nach dem Zielbild, nach Methoden und nach den Kosten.

Eine  Strategie ändert man allerdings nicht über Nacht. Wer Nachhaltigkeit im Kerngeschäft umsetzen möchte, muss wissen, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der eine klare Zielrichtung, Geduld und Einsatz erfordert, personell wie monetär. Selbst bei völlig neu aufgesetzten Produktkonzeptionen wie dem Fairphone, waren eine Menge von eingefahrenen Denkweisen zu überwinden und Skeptiker zu überzeugen. Wenn nicht im eigenen Unternehmen, so doch bei Kunden und Lieferanten.

Doch der Aufwand lohnt. Denn Kunden beziehen neben dem Preis längst auch andere Faktoren wie den ökologischen und sozialen Wert des Produkts in ihre Kaufentscheidung mit ein.

2. Innovation

Die ökonomischen, ökologischen und sozialen Effekte eines Produkts von Anfang an neu definieren

Nachhaltige Produktinnovationen können zu Umsatzwachstum führen. Der Absatz erhöht sich und die Kundenbindung nimmt zu. So konnte Kraft Foods in Schweden durch Einführung des Fair Trade-Siegels und der Selbstverpflichtung zu nachhaltiger Beschaffung für Teile seines Sortiments ein Umsatzwachstum von fast 100 Prozent bei Instantkaffee erreichen.

Nachhaltige Designkonzepte mindern nicht nur schädliche Auswirkungen von Produkten bei der Entsorgung, sondern können helfen, operative Kosten zu senken. Design meint nicht nur die modische Gestaltung der Produkte, sondern auch Komponentenauswahl, Entscheidungen über Lieferanten und den Produktionsstandort. Am Beginn des Lebenszyklus werden dadurch große Teile der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produkts festgelegt.

Ein gutes Beispiel ist der Cradle-to-Cradle-Ansatz. Hier werden Produkte so konzipiert, dass sie am Ende des Lebenszyklus komplett in geschlossene Kreisläufe übergeben werden und so Kosten für die Extraktion und Herstellung von Primärrohstoffen vermieden werden. Der Outdoorhersteller VAUDE hat dies teilweise umgesetzt.

3. Produktion & Logistik

Auch die operativen Kosten sind relevant

Studien zufolge machen die Kosten der Supply Chain oft mehr als 50 Prozent aller operativen Kosten aus. Aufgrund dieser Kostenverteilung ist der Großteil der Optimierungsaktivitäten in der Wertschöpfungskette auf Verringerung operativer Kosten ausgelegt. Dazu investieren viele Unternehmen kontinuierlich in die Verbesserung der Wertschöpfungskette und schaffen es, die Kosten etwa um ein Drittel senken.

Beispielgebend ist der Süsswarenhersteller Mars. Mit der vor vier Jahren gestarteten Kooperationsoffensive „Agenda 2017“ engagiert sich Mars Deutschland für mehr Zusammenarbeit im Logistikbereich der Konsumgüterindustrie und nimmt in den eigenen LKWs sogar Waren seiner Konkurrenten mit. Entsprechende Umwelteffekte und 25 Prozent Kosteneinsparungen sind das Ziel.

Auch der Logistikverbund ELVIS verdient Beachtung. Darin haben sich mittelständische europäische Spediteure zusammengeschlossen, um sich den wachsenden Herausforderungen zu stellen. Ziel des Verbunds mit seinen derzeit cungefähr 20.000 Fahrzeugen ist es, eine ökonomische Basis des Geschäfts sicherzustellen und Umweltaspekten zum Durchbruch zu verhelfen, indem Leerfahrten vermieden werden. Zum Einsatz kommen dabei auch Kennzahlen zur Messung der Nachhaltigkeitsleistung, wie zum Beispiel Treibstoffkosten in Prozent der Distributionskosten oder Prozent der Lieferanten, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.

4. Beschaffung

Abstrafungen durch kritische Konsumenten vermeiden

Durch die Auswahl der richtigen Lieferanten lassen sich die sogenannten Non-Compliance-Kosten verringern. Das sind Kosten, die einem Hersteller dadurch aufgebürdet werden, weil er für Verfehlungen seiner Lieferanten geradestehen muss, sei es durch behördliche Bußgelder oder durch die finanziellen Folgen eines Konsumentenboykotts.

Durch Nutzung gemeinsamer Infrastrukturen kann Anlagevermögen reduziert und gleichzeitig die Auslastung gesteigert werden. Durch Sammlung und Wiederaufbereitung von Produkten können Beschaffungs-, Energie und Umweltkosten gesenkt und wichtige Produktionsrohstoffe wiedergewonnen werden, wie zum Beispiel durch Wiederaufbereitung von seltenen Erden in der Beleuchtungsindustrie.

Im Rahmen von SEDEX, einer Datenbank, die Informationen aus über 150 Staaten von mehr als 27.500 Mitgliedern aus 23 Industriebereichen beinhaltet, wird anhand eines Fragenkatalogs der Status der gesellschaftlichen Verantwortung erhoben und in Form eines Risk-Management-Tools bewertet. Solche Quellen sind wichtige Hilfsmittel beim Aufbau einer nachhaltigen Lieferantenbasis.

Künftiges Wachstum ermöglichen

Veränderungen in Einkauf, Produktion und Logistik, die darauf hinwirken, dass nicht aus Fernost, sondern soweit möglich regional beschafft wird, umweltschonend produziert, unnötige Transportwege und vermeidbarer Abfall gar nicht erst entstehen, ziehen komplexe Transformationsprozesse in den etablierten Systemen der Unternehmen nach sich.

Eine bestehende Wertschöpfungskette mit all ihren Partnern lässt sich jedoch nicht auf Knopfdruck auf Nachhaltigkeit umstellen. Aber sie lässt sich durch gutes und effektives Management schrittweise transformieren. Aus der betrieblichen Realität wissen wir, dass das anspruchsvolle Change-Management-Aufgaben sind.

Ich sehe trotzdem zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt, um Veränderungen auch endlich auf breiter Front anzustoßen. Zum einen verfügen die Akteure, die das Kerngeschäft der Unternehmen gestalten – also die Manager in Strategie, Produktentwicklung, Beschaffung und Produktion – über erhebliche (manchmal schmerzhafte) Transformationserfahrung. Zum anderen werden von den Unternehmen seit jeher hohe Summen in Veränderungsprojekte investiert, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Vom Umdenken zur Umsetzung

Was derzeit oft noch fehlt, ist das geeignete Zielbild in den Köpfen der Supply Chain-Verantwortlichen und des Managements. Die Entscheidung, eine CSR-Abteilungen einzusetzen, reicht nicht aus. Es muss ihr auch die organisationale Macht zukommen, um im einen Unternehmen wirksam auf Veränderungen hinzuwirken. Doch auch die CSR-Verantwortlichen stehen in der Pflicht. Sie müssen sicherstellen, dass sie über die neuesten Konzepte in Beschaffung, Produktion und Logistik im Bilde sind und sich mit den dort Verantwortlichen kompetent verständigen können.

Wir wissen heute, dass bestehende Produktionsweisen, die ohne Rücksicht auf die Umwelt auf ungebremstes Wachstum ausgerichtet sind, nicht länger konsensfähig sind. Nachdem das Umdenken schon eingesetzt hat, worauf die Intensität der Nachhaltigkeitsdiskussion in den Medien hindeutet, ist nun die operative Umsetzung gefragt. Für Unternehmen, die Nachhaltigkeit erfolgreich im Kerngeschäft verankern, haben die Chance, sich wirksam vom Wettbewerb differenzieren.

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